BETTY – eine wahre Geschichte
Wir schreiben immer unsere eigene Geschichte unbewusst oder bewusst. Unwissend oder wissend.
Ich sehe sie vor mir sitzen. An all den Seminartagen. Immer am selben Platz. An diesem Tisch im Seminarraum halb rechts – von mir aus gesehen. Ein bisschen weiter rechts und hinter ihr eine wenig stylische ockerbraun beschichtete Ausgangstür mit grünem Kunststoffgriff. Wir wussten beide nicht, was geschehen würde, doch als sie diese Tür zum letzten Mal hinter sich schloss, war sie eine andere.
Veränderung ist möglich. Immer. Für Dich, für mich, für Betty. Glaubst Du nicht?
Es muss etwa im Herbst 1999 gewesen sein. Ich stand mitten in der Prüfungsphase und kurz vor dem Abschluss meines geisteswissenschaftlichen Studiums an der Universität. Gegen jegliche Vernunft hatte ich diesen Auftrag bei einem Bildungsträger angenommen. Ein Bekannter war zu dieser Zeit dort tätig und hatte versucht, mich für die Stelle zu gewinnen. „Wenn Du es nicht schaffst, dann schafft es keiner“, hatte seine hoffnungsvolle Stimme durchs Telefon verkündet. Es ging um etwa 15 Frauen zwischen 35 und 45 Jahren, die arbeitslos gemeldet waren und nun ein sogenanntes „Wiedereingliederungsseminar für Frauen in Teilzeit“ absolvieren sollten.
DIE KAMMER DES SCHRECKENS
Wiedereingliederungsseminare in Teilzeit richten sich an schon längere Zeit arbeitssuchend gemeldete Personen, die dem Arbeitsamt mitteilen, sie stünden dem Arbeitsmarkt in Teilzeit zur Verfügung, würden aber keinen Job finden. Diesen Menschen hilft das Arbeitsamt dann mit einem 6-wöchigen Seminar am Vormittag. Es herrscht Teilnahmepflicht, sonst werden die finanziellen Leistungen gekürzt. 90 Prozent der Teilnehmerinnen hatten junge Kinder, waren vollauf mit Haushalt und Familie beschäftigt und hatten eigentlich weder Lust noch Zeit, an diesem Seminar teilzunehmen. In der Regel melden sich bei solchen Veranstaltungen über die Zeit immer mehr Teilnehmerinnen krank oder bleiben dem Unterricht unentschuldigt fern. Nicht gerade rosige Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit.
Deshalb hatte es meinen Bekannten auch einiges an Überzeugungkraft gekostet, mich dafür zu gewinnen. Seufzend und eigentlich mehr, um ihm einen Gefallen zu tun, hatte ich schließlich zugesagt.
Obwohl ich ahnte, was mich erwartete, war ich nicht vorbereitet, auf das was mir am ersten Tag in diesem in die Jahre gekommenen Seminarbau am Rande eines Vorortes von Stuttgart entgegenschlug. „Die Kammer des Schreckens“, schoss es mir durch den Kopf. Die deutsche Ausgabe des ersten Harry Potter Bandes war quasi noch druckfrisch.
6 Wochen lang würden wir die Vormittage zusammen verbringen, danach sollten die Frauen ein betriebliches Praktikum absolvieren, für das sie sich selbst bewerben sollten, obwohl die meisten das nicht wollten.
Ich atmete einmal tief durch, stellte meine Tasche ab und ließ einen Moment lang in Stille meinen Blick in das aus Tischen gestellte Seminar-„U“ schweifen. Dort saßen ausnahmslos missmutige Frauen mit bockigen Gesichtern. Eine Welle von Ablehnung schlug mir wuchtig entgegen. Unter ihnen Betty mit grummelig zusammengezogenen Augenbrauen, sich nach außen hin notgedrungen in die Situation fügend, innen aber rebellierend.
Laut Stundenplan für dieses Seminar, sollte ich Themen wie Zeitmanagement, Stressmanagement, IT Grundkenntnisse und Bewerbungstraining behandeln. Ich startete mit einer Vorstellungsrunde, wollte, dass die Ablehnungswand begann zu sprechen. Die meisten blieben zurückgelehnt, und mit mürrisch verschränkten Armen sitzen, während sie berichteten, welchen Beruf sie gelernt hatten, und wie viele Kinder welchen Alters sie versorgten, während der Papa arbeitete. Welche Ziele sie selbst hatten, konnten sie oft nicht sagen.
Sehr deutlich ließen sie mich spüren, dass ich sie sowieso nicht verstehen würde. Ich war jünger als sie, unverheiratet, sportlich durchtrainiert und kinderlos. Was konnte so eine schon vom Leben wissen. Zudem war ich der Feind. Vom Arbeitsamt beauftragt, sie zu drangsalieren. Aber bei einigen hatte ich irgenwie das Gefühl, dass sie nicht wirklich mit sich und ihrem Leben zufrieden waren.
EIN SEMINAR BON-BON AUS DEM KLEIDERSAUM
Als ich mich selbst vorstellte, machte ich kein Aufhebens daraus, dass ich ihre Situation klar durchschaut hatte, dass wir aber ja alle nichts daran ändern könnten und wir doch dann wenigstens die Zeit so angenehm wie möglich und vor allem nützlich verbringen könnten. Und dass ich nicht vom Arbeitsamt sei. Lediglich vom Bildungsträger beauftragt, dieses Seminar zu leiten. Ich sei kein Spion und ich würde keine von ihnen beim Arbeitsamt verpetzen, solange sie Abwesenheiten mit einem ärztlichen Attest belegten.
Klar, müssten wir den Stundenplan abarbeiten, aber das sei eine wirklich so gut qualifizierte Gruppe, dass wir sicher schnell vorankämen und noch Zeit für ein weiteres Thema hätten, das uns in allen Situationen unseres Lebens helfen könne und – zufälligerweise –eines meiner Prüfungsthemen war, und das eigentlich nicht auf dem Lehrplan stand, das ich ihnen aber unbedingt mitgeben wollte.
Und ja, ich müsse streng jede Abwesenheit protokollieren und Krankmeldungen dokumentieren, aber vielleicht würden sie dem Seminar ja eine Chance geben, Ihnen etwas zu geben, was sie sonst nicht bekämen. Die Möglichkeit, zu verändern, was sie verändern wollten.
Tag für Tag waren weniger Arme verschränkt, Tag für Tag tauten die mürrischen Gesichter mehr auf, manche Frauen begannen sogar in den Pausen mit mir zu sprechen. Die Interaktion im Unterricht wurde nach und nach besser. Bald lachten wir sogar immer öfter.
Mein Auftraggeber wunderte sich über die niedrige Abwesenheitsquote.
Bald konnten wir mein persönliches Lieblingsthema besprechen. Und es sollte sich zeigen, dass es auch bei den Teilnehmerinnen auf großes Interesse und Gegenliebe stieß. Vor allem bei Betty. Wir sprachen über das Menschen- und Weltbild der Existenzphilosophie. Begründet von Viktor Frankl. Seine Existenzanalyse wurde zu einer eigenen Psychotherapie-Form, der Logotherapie (nicht zu verwechseln mit der Logopädie), der Therapie vom Logos aus, vom Geist. Sie wurde auch als dritte Wiener Schule der Psychotherapie bekannt (nach der 1. Wiener Schule, der Tiefenpsychologie nach Freud und der 2. Wiener Schule, der Individualpsychologie nach Adler).
Sehr kurz auf das Nötigste zusammengefasst sagt Frankl: Der Körper und die Psyche eines Menschen können erkranken. Der Geist nicht. Er bleibt frei. Der Mensch hat immer eine Wahl. Er ist grundsätzlich frei, Entscheidungen zu treffen. Entscheidung heißt aber auch Verantwortung. Er muss für die von ihm getroffenen Entscheidungen und deren Konsequenzen die Verantwortung übernehmen. Also: wenn du etwas entscheidest, musst du mit den Konsequenzen leben. Freiheit heißt immer auch Verantwortung. Und Freiheit braucht immer ein zugrundeliegendes Wertesystem, eine Ethik. Aber wir selbst sind es, die unserem Leben Richtung und Sinn geben. Es kommt kein anderer, der das tut, es kommt kein Retter auf dem weißen Pferd, der uns befreit. Und wenn wir anderen blind folgen und nicht selbst für uns entscheiden, kann das schwerwiegende Konsequenzen haben, wie Frankl selbst erfuhr. Er schrieb das Manuskript für sein erstes Buch im Konzentrationslager und nähte es in den Saum seiner Kleider ein. Frankl überlebte nur, weil er entschlossen war, diese Erkenntnisse mit der Welt zu Teilen.
Wir selbst wählen, was im nächsten Kapitel unserer Geschichte steht.
Betty hakte nach: „Aber…“ und „Wieso….“. Nicht nur sie, auch die meisten der anderen Teilnehmerinnen waren plötzlich wach und Feuer und Flamme. Wie ausgewechselt – bis auf 2 Hardlinerinnen, die weiter gelangweilt aus dem Fenster schauten. Betty schaute zum Flipchart (damals war noch nichts digital). Wir diskutierten und hinterfragten, philosophierten und beleuchteten Beispiele: „Und wenn jemand einen Schicksalsschlag erfährt? Was ganz Schlimmes? Da hat er ja nicht gewählt. Das passiert dann so. Und er leidet. Da hat er keine Wahl.“ Zustimmendes Nicken in der Gruppe. „Ja, er wird leiden, weil er verbunden ist mit etwas oder jemandem, weil etwas passiert, das er nicht will. Aber er hat dann die Wahl, sich in seinem Kummer und Leid zu wälzen oder etwas anderes zu tun. Eine andere geistige Haltung einzunehmen. Das ist keine leichte Aufgabe. Aber wir selbst wählen, was im nächsten Kapitel unserer Geschichte steht. Sogar bei seelischem oder körperlichem Schmerz.
Ein Ansatz, den übrigens auch die kognitive Verhaltenstherapie verfolgt.
Heute weiß ich, dass all das schon im Yogasutra von Patanjali beschrieben ist. Etwa 2000 Jahre vor Frankl und noch viel früher in der Geschichte wurde der Mensch und dessen Leid analysiert und es wurden praktische Maßnahmen niedergeschrieben, wie dieses Leid zu verringern sei. Auf dieser Grundlage basiert Yoga.
Damals veränderte sich ganz ohne Yogapraxis und ohne mein Wissen etwas in Betty. Doch das erfuhr ich erst später.
Am letzten Seminartag hatten wir eine kleine Abschiedsfeier geplant. Wir brachten alle selbstgemachte Leckereien mit und zu meiner Überraschung übergaben mir die Frauen ein großartiges Geschenk: eine kleine Palme, die wachsen würde und mich begleiten. An jedem Ast dieses Baumes hing ein Passbild einer der Teilnehmerinnen, liebevoll befestigt mit einer gelben Schleife und auf der Rückseite handschriftlich persönliche Worte des Dankes und gute Wünsche. Ich war zu Tränen gerührt. Wir verabschiedeten uns sehr herzlich. Wann Betty den Raum durch die ockerbraune Tür mit der grünen Kunststoffklinke verließ, weiß ich nicht mehr. Doch sie muss in sich klar und entschlossen gewesen sein für ihre persönliche Veränderung. Ich ahnte nichts.
Etwa 1 Jahr später traf ich Betty s Freundin aus dem Seminar. „Danke nochmal. Das Seminar mit der Existenzphilosopie hat mein Leben so positiv verändert. Aber am meisten das von Betty.“ Ich schaute verwundert, denn ich hatte nichts mehr von ihr gehört. Die Freundin klärte mich auf: Betty habe ihr gesamtes Übergewicht verloren und sei wieder glücklich mit ihrem Körper. Sie habe noch weitere Entscheidungen getroffen und ihr Leben wieder selbst in die Hand genommen. Sie habe sich aus ihrer unglücklichen Ehe befreit und lebe mit den Kindern glücklich in einer eigenen Wohnung, die sie problemlos mit ihrem neuen Job finanzieren könne. Sie sei so froh und dankbar.
Betty s Passbild mit der gelben Schleife liegt immer noch in meiner Erinnerungsbox. Wie sie heute wohl aussieht? Welche Entscheidungen sie noch getroffen hat?
Sicher ist, wir schreiben immer unsere eigene Geschichte unbewusst oder bewusst. Und Du schreibst Deine. Wo Du heute bist, liegt an deiner Lebensweise der Vergangenheit. Wo Du morgen sein wirst, liegt an deinen Entscheidungen, Gedanken und Emotionen von heute.
Wie sieht Dein 20 Jahre altes Passbild aus? Welche Geschichte hast Du geschrieben? Was wirst Du in 20 Jahren denken, wenn Du Dein Passbild von heute siehst? Welche Entscheidungen für Dein ymGlueck-Sein wirst Du getroffen haben?
Wenn Du Deinem Leben eine neue Wendung geben möchtest, wenn Du vor schwierigen Entscheidungen stehst oder dich in bestimmten Situationen anders verhalten möchtest, kannst Du das. Heute. Jetzt.
Und wenn Du merkst, dass es nicht so leicht umzusetzen ist, und Du dafür mit einem professionellen Coach sprechen möchtest, um klare, mit deinem wahren Selbst stimmige Entscheidungen zu treffen und sie nachhaltig umzusetzen, melde Dich gerne bei mir. Ich habe seit 1999 schon sehr viele Menschen auf ihrem Weg zu ihrem persönlichen ymGlueck-Sein begleitet. Hier kannst Du direkt einen persönlichen oder auch einen online-Termin vereinbaren
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